Unterrichtsklima, Traumapädagogik, Lernerfolg

Durch individuell angepasste Lerninhalte und ein unterstützendes Unterrichtsklima, das von Angstfreiheit, Freundlichkeit, Wertschätzung und gegenseitigem Respekt geprägt ist, lässt sich die aktive Lernzeit von Kindern deutlich erhöhen. Diese Zeit, in der sich Lernende aufmerksam und konzentriert mit dem Unterricht und den Inhalten auseinandersetzen, hat einen positiven Einfluss auf ihren Lernerfolg. (Hattie, 2024)
Die sechs Grundhaltungen der Traumapädagogik können einen entscheidenden Beitrag zur Gestaltung eines solchen Unterrichtsklimas leisten. Davon profitieren alle Kinder – unabhängig davon, ob sie traumatische Erfahrungen gemacht haben oder nicht. 

Annahme des guten Grundes
Alles, was ein Mensch zeigt, macht einen Sinn in seiner Geschichte.
Diese Haltung geht davon aus, dass jedes Verhalten eines Kindes einen nachvollziehbaren Grund hat, auch wenn es herausfordernd erscheint. Dies hilft Kindern, sich verstanden und angenommen zu fühlen, anstatt beschämt oder bestraft zu werden. Bezogen auf das Lernräume-Konzept bedeutet dies, dass jedes Kind spürt, welches Mathematikthema für seine Entwicklung momentan das richtige ist und es das Thema aus einem guten Grund wählt. Damit die Lehrperson das Kind bei der Wahl kompetent beraten kann, muss sie die Fähigkeiten des Kindes und die Anforderungen des Themas kennen.

Partizipation
Ich traue dir etwas zu und überfordere dich nicht.
Kinder werden in Entscheidungen einbezogen, die sie betreffen. Dies stärkt ihr Gefühl der Selbstbestimmung und Autonomie, was für ihre soziale und emotionale Entwicklung essenziell ist. In den Beratungsgesprächen mit der Lehrperson können die Kinder im Rahmen des Lernräume-Konzepts teilhaben an ihrem Lernprozess. Weil Inhalte auf verschiedenen Niveaus und aus verschiedenen Themenfeldern gewählt werden dürfen, sind die Schüler:innen selten unter- oder überfordert. 

Expert*innenschaft
Niemand weiss besser Bescheid über mich als ich selbst.
Kinder werden als Expert:innen für ihre eigenen Bedürfnisse anerkannt. Dies stärkt ihr Selbstvertrauen, ihre Selbstwirksamkeit und ihre Fähigkeit, eigene Gefühle und Bedürfnisse auszudrücken. Jedes Kind weiss, bei welchen Mathematikthemen es sich sicher und bei welchen es sich noch unsicher fühlt. Wenn es der Lehrperson gelingt, eine Unterrichtsatmosphäre zu schaffen, in der über dies geredet werden darf, können die Schüler:innen an Themen arbeiten, die für sie sinnvoll sind. So erleben sie sich als Expert:innen für ihr Lernen.

Wertschätzung
Es ist gut, so wie du bist.
Kinder erfahren Respekt und Anerkennung für ihre Persönlichkeit und ihre Fähigkeiten. Dies fördert ihr Selbstwertgefühl und ihre emotionale Stabilität. Die Kinder arbeiten im Lernräume-Konzept unterschiedlich schnell, an verschiedenen Themen und wählen unterschiedliche Wege. Weil sie dies dürfen, machen sie die Erfahrung, gut und richtig zu sein, so wie sie sind.

Transparenz
Jeder Mensch hat jederzeit ein Recht auf Klarheit.
Kinder profitieren von klaren und ehrlichen Erklärungen über Regeln, Entscheidungen und Abläufe. Dies schafft Sicherheit und Vertrauen, weil sie verstehen, was passiert und warum. Im Mathehaus ist vieles ersichtlich. Zum Beispiel welche Themen es gibt, welche besonders wichtig sind (blau geschrieben) und welche auf welchen aufbauen. Dies bereitet eine gute Grundlage für offene und ehrliche Gespräche zwischen der Lehrperson und den einzelnen Kindern.

Freude
Viel Freude trägt viel Belastung.
Eine positive, freudvolle Atmosphäre erleichtert das Lernen, stärkt Beziehungen und macht den Alltag für Kinder angenehm. Freude fördert die Resilienz und trägt dazu bei, dass Kinder soziale Kontakte pflegen und Neues entdecken wollen. Das selbstgesteuerte und individualisierte Lernen scheint vielen Schüler:innen zu entsprechen, wodurch sich die Mathematiklektionen mit dem Lernräume-Konzept bei den Kindern und ihren Lehrpersonen oft grosser Beliebtheit erfreuen.

Das Unterrichtskonzept Lernräume bietet durch die Integration der traumapädagogischen Grundhaltungen gute Voraussetzungen, um ein förderliches Lernklima zu schaffen, in dem sich die Kinder individuell und bedürfnisorientiert mit mathematischen Inhalten auseinandersetzen können. Dadurch wird die aktive Lernzeit und damit der Lernerfolg der Schülerinnen und Schüler nachhaltig gestärkt.

Quellen:
Ein Positionspapier des Fachverbands Traumapädagogik e. V. (2011): "Standards für traumapädagogische Konzepte in der stationären Kinder- und Jugendhilfe”. verfügbar unter: https://fachverband-traumapaedagogik.org/wp-content/uploads/2024/09/FVTP_Standards.pdf?utm_source=chatgpt.com
Hattie, John A. C. (2024): “Visible Learning 2.0”. Deutschsprachige Ausgabe von "Visible Learning; The Sequel" (2023). Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren.